Ritterturnier

Ritterturniere im Mittelalter

von Björn Böhling

3.2.1. Gesellschaftlicher Rahmen und erste Ritterturniere

Turniere waren Sammelpunkte für Ritter und sorgten so dafür, dass ritterliche Normen und Rituale in ganz Europa verbreitet wurden. Dies geschah trotz kirchlicher Verbote und zeigt, dass sich die ritterlichen Werte unabhängig von der offiziellen Kirchenmeinung entwickelten.

Der Beginn der Turniergeschichte geht ungefähr auf die Jahre 1050 bis 1150 zurück. In Frankreich galt Gaufridus de Prulaco (Preuilly), der wohl zum ersten Mal ein Turnier nach Regeln durchführte und 1066 selbst dabei ums Leben kam, Mitte des 11. Jahrhunderts als Erfinder des Turniers, während auf deutschem Gebiet angeblich der erste sächsische Kaiser im ostfränkisch-deutschen Reich, Heinrich I., als Urheber angesehen werden kann.[28]

Das erste Turnier auf deutschem Boden soll am 12. August 1127 vor den Mauern der Stadt Würzburg zwischen den staufischen Brüdern Konrad und Friedrich „zum Hohn auf den in der Stadt eingeschlossenen Feind, König Lothar, veranstaltet“ worden sein, wie uns der Historiograph Otto von Freising in der Gesta Friderici mitteilt.[29] Ob dies nun tatsächlich das erste Turnier in Deutschland war, ist allerdings mehr als fragwürdig. Fleckenstein hält die Veranstaltung nur für ein älteres Kampfspiel, da das Zusammentreffen bei Würzburg nicht den formalen Kriterien eines Turniers entsprochen habe und auch einen zu ernsten Charakter gehabt habe.

So muss es auch schon Vorläufer dieser Kampfform gegeben haben. Diese sind allerdings unbekannt, bzw. es sind keine exakten Entwicklungslinie zu den Turnieren erkennbar.[30] Kampfspiele waren aber zumindest in karolingischer und ottonischer Zeit beim Kriegerstand sehr beliebt gewesen. „Das Wesentliche ist aber, daß die.. ältere Form auf jeden Fall zurücktritt und daß die neue Form des Turniers unverkennbar mehr und mehr dominiert.“[31] Das Neue begann also schnell das Alte zu verdrängen. Das geht aus den Quellen hervor. Ob aber ältere Kampf- und Reiterspiele nicht doch eine längere Zeit überdauerten und nur nicht mehr von den Geschichtsschreibern erwähnt wurden, ist schwer zu sagen, aber auch zu vermuten.

In seiner Blütezeit waren Ritterturniere nicht einfach nur „sportliche“ Wettkämpfe. Sie fanden in der Regel im Rahmen festlicher Veranstaltungen statt. Das waren z.B. Zusammentritte des Landtages, Hochzeiten, Geburten, ausländischer Besuch und damit verbundene Machtdemonstrationen des Veranstalters u.a.[32] Es entwickelte sich schnell zu einem höfischen Fest mit Sängern, Dichtern und den adligen Damen, „die eine stimulierende wie zivilisierende Rolle zu spielen“ begannen, und gehörte somit zum Leben der höheren Schichten.[33]

Trotz dieser Entwicklung zum Hofe hin, gab es nach wie vor die Vorläufer dieses Festes, die ein Kräftemessen ohne den neuen Prunk und Reichtum am Hof darstellten. Allerdings gewann das höfische Turnier an Einfluss und setzte sich durch. Das militärische Übungsspiel wurde mehr und mehr zu einer Kampfform, die neue soziale Funktionen mit sich brachte.[34]

Da der Ritter seinen Bezugspunkt im christlichen Glauben sah, den er zu verteidigen gewillt war, war der Turniertag stets mit einem Gottesdienst verbunden.[35] Dass an Turnieren viele Ritter, wie auch Zuschauer teilnahmen, führt Niedermann auf das sowieso schon kurze, durch Kriege und Epidemien bedrohte Leben zurück. Die Gefahren des Lebens „drängten den Menschen nicht nur in den Schutz der Familie, der Burg, sondern ließen ihn auch seine Feste in vollen Zügen genießen.“[36]

Die Organisation von Turnieren übernahmen meistens Turniergesellschaften.[37] Manchmal luden auch einzelne Ritter zu Turnieren ein. Ein beliebter Monat für Turniere war der Mai, in dem das Pfingstfest den Rahmen lieferte.[38] Die Dauer eines Turniers richtete sich nach der Art der Festlichkeit. Wahrscheinlich dauerte es meistens eine Woche, es sind aber auch Turniere von 14 bis 15 Tagen bekannt.

Nicht nur das Turnier und die Ritter bedeutete für die Zuschauer eine Attraktion. Neben den Kämpfen wurden volkstümliche Unterhaltungen angeboten. Dazu gehörten tänzerische und Theater-Darbietungen, Gesangsgruppen und Minnesänger, Gaukler, Akrobaten, ein Barde, Jongleure, Schießwettbewerbe, und für das leibliche Wohl wurde auch gesorgt. Man kann also durchaus von einem Volksfest neben den eigentlichen Ritterkämpfen sprechen.

Das Turnier selbst entwickelte sich bis zu seinem Ende am Anfang der frühen Neuzeit weiter. Wichtiger Bestandteile dieser Veränderung waren der Einsatz von Turnierregeln und die Schaffung und Verfeinerung einer Leistungsbewertung. Über die Turnierregeleinführung informiert unter einer anderen Fragestellung das Kapitel 4.1., während im Kapitel 3.4. ausführlich auf die Aufgaben der Turnierrichter eingegangen wird. Zunächst soll jedoch auf den Bezug der Kirche zum Turnierwesen eingegangen werden. Die Kirche spielte nicht nur im Alltag jedes im Mittelalter lebenden Menschen eine zentrale Rolle, sondern nahm auch aktiv Einfluss auf die ritterlichen Turniere.

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[27] Mit Turnier ist hier die gesamte Veranstaltung gemeint. In den folgenden Kapiteln wird noch beschrieben, dass der Begriff auch nur für eine Form des Kampfes verwandt werden kann (siehe auch Kapitel 3.3.1. und 3.3.2.).

[28] Vgl. Meyer, Lessing 1976, S. 140. An dem ersten Turnier Heinrichs I., das wegen des Sieges über die Ungarn abgehalten wurde, sollen angeblich 2091 berittene Edelleute teilgenommen haben, unter denen sich 72 Fürsten und 34 Grafen befanden (vgl. Endrei 1988, S. 166).

[29] Meyer, Lessing 1976, S. 140. Vgl. auch Fleckenstein 1985, S. 230. Otto von Freising sprach von einem tyrocinium, qoud vulgo nunc turneimentum dicitur.

[30] Als relativ gesichert gilt die Annahme, dass der Buhurt zu den Vorläufern gehörte (vgl. Kapitel 3.3.2.). Noch weiter zurückliegende Kampf- oder Reiterspiele lassen sich allerdings nicht mehr so eindeutig auf die ab dem Hochmittelalter stattfindenden Turniere beziehen.

[31] Fleckenstein 1985, S. 231.

[32] Allerdings gab es noch eine Fülle anderer Ereignisse, die es lohnten, ein Turnier zu veranstalten, so z.B. der dreijährige Waffenstillstand während des hundertjährigen Krieges.

[33] Fleckenstein 1985, S. 238.

[34] Diese Funktionen sorgten auch dafür, dass das Turnier trotz vieler widriger Umstände Jahrhunderte überdauerte (siehe dazu Kapitel 4.2.).

[35] Während des Gottesdienstes waren Kampfhandlungen streng untersagt.

[36] Niedermann 1980, S. 79.

[37] In Deutschland waren das Turniergesellschaften des Rheins, der Franken, Schwaben und Bayern. Zu den Turniergesellschaften siehe auch den kurzen Aufsatz von Werner Meyer in Meyer 1985.

[38] Natürlich wurden auch andere kirchliche Feiertage oder z.B. das Fest zur Sonnenwende als günstige Gelegenheiten angesehen.
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