Ritterturnier

Ritterturniere im Mittelalter

von Björn Böhling

3.3.1. Die verschiedenen Arten des ritterlichen Kampfes - Das (eigentliche) Turnier

Turniere waren im 12. Jahrhundert eine raue Angelegenheit und von den eigentlichen Schlachten wohl kaum zu unterscheiden. So beschreiben Meyer und Lessing sie als „simulierte Reiterschlacht, ausgeführt mit Stumpfen Waffen.“[52] Der Begriff Steht hier also für eine Kampfform, die im Rahmen von Ritterturnieren ausgeübt wurde. In Frankreich existierte eine besondere Art namens ‚pas d’armes’ (Durchritt), bestehend aus je einem Waffengang mit Speer und Schwert.

Vor jeder Veranstaltung mussten umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden.[53] Zu Beginn jeder Auseinandersetzung stand die Einladung, die auch den Charakter einer Herausforderung haben konnte. Boten zogen zwei bis drei Wochen vor dem Beginn durch das Land und kündigten das Turnier an.[54] Eine wichtige Voraussetzung für das Erscheinen der Teilnehmer war die Zusicherung des freien Geleits oder zusätzlich sogar noch des Königsschutzes. Dies galt selbstverständlich nicht für die Kämpfe selber, aber vor und danach musste den Rittern der Schutz vor Verfolgung zugebilligt werden. Im Gegenzug mussten die Kämpfer versichern, den Frieden des Turniers zu unterstützen. Viele Städte ließen sich zusätzlich noch bescheinigen, dass das Turnier nicht verlängert würde, um die fremden Horden auch schnell wieder los zu werden, oder verlangten eine Kaution.

Der zu begrenzende Turnierplatz konnte am Anfang der Turnierentwicklung so groß sein, dass der Kampf im Umkreis mehrerer Dörfer ausgetragen werden konnte. Er fand meist vor Städten oder Burgen statt.[55] Die natürliche Beschaffenheit des Ortes oder aber das Gebiet zwischen Städten und Dörfern begrenzte den Kampfplatz, der zusätzlich, um die Spannung zu steigern, noch mit Hindernissen versehen war, hinter denen man sich verstecken und einen Hinterhalt ausführen oder hinter denen man Schutz finden konnte.[56] Nur die den Rittern für ihre Ausrüstung und Erholung zugewiesenen Orte waren extra abgesperrt.

Die später praktizierte Begrenzung und Absperrung des Kampfplatzes war unverzichtbar. Der Kampf wurde so durch Gräben, Barrieren und später auch Zäune eingegrenzt und konnte entsprechend den Regeln abgehalten werden. Die Konstruktion von Tribünen für die Zuschauer war einzig und allein an die Anwesenheit der Frauen gebunden, damit sie vor dem Kontakt mit der tobenden Menge bewahrt wurden. Der einfache, nicht adlige Zuschauer musste sich seinen Platz vor den Absperrungen erkämpfen.

In feierlicher Formation zogen die Kämpfer zum Kampfplatz, wo die Ritter in zwei Mannschaften eingeteilt wurden.[57] Vor den Kämpfen traten die Herolde hervor, die das folgende Programm verkündeten und Teilnehmer und Schutzherren sowie die zu gewinnenden Preise[58] vorstellten.[59] Es folgte die Waffeninspektion.

Nachdem alles überprüft war, riefen die Herolde mehrmals: „À l’ascheviers chevaliers!“ und nachdem das Kommando „Laisseir les aller!“[60] gegeben worden war, wurde die Schnur, die bislang die Gruppen getrennt hatte, fortgezogen und der Kampf begann ohne Schiedsrichter mit Lanzen und Schwertern als Hauptwaffen.[61] Wie in der Schlacht konnten Gefangene gemacht werden, die sich dann gegen Lösegeld freikaufen konnten.[62] Pferde, Waffen und Rüstung waren legitime Beute des Siegers.[63] Ein Verlust der zur Kriegsführung notwendigen Ausrüstung konnte so die tiefe Verschuldung nach sich ziehen.

Nun darf man sich den Kampf nicht als wohlgeordnetes Duell vorstellen. Die sich gegenüberstehenden Mannschaften spornten ihre Pferde an und ritten mit gehaltener Lanze aufeinander zu. Wer sich nach dem Aufprall noch im Sattel befand, wendete scharf (tournierte), um den Antritt zu wiederholen und den Gegner aus dem Sattel zu stechen.[64] Schon nach dem ersten Aufprall ergab sich ein Knäuel von gestürzten Rittern und Pferden. Pferde galoppierten durch die Menge davon, Ritter stellten sich mühsam wieder auf die Beine, zogen ihre Schwerter, wurden nach schwereren Verletzungen davongetragen, gerieten in Gefangenschaften oder versuchten dieser zu entkommen. Daneben ging der Lanzenkampf zwischen den übriggebliebenen und dann auch der Schwertkampf natürlich weiter. Unterlegt wurde die Szene mit gellendem Kampfgeschrei, dem Klirren der aufeinandergeschlagenen Waffen und Schilde, dem Wiehern und Schnauben der Pferde, den Anfeuerungen der Zuschauer und den Lauten, die Verletzte und Sterbende von sich gaben. Der Kampf kann von außen mehr als Getümmel bezeichnet werden – wie auf dem Schlachtfeld.

Ein Turnier oder auch nur ein Turniertag konnte durch einen Ball mit Bankett abgeschlossen werden. Es war Bestandteil höfischer Feste und dem Leben der ‚Highsociaty’ der damaligen Epoche.

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[52] Meyer Lessing 1976, S. 141. Dies entsprach dem mittelalterlichen tournoy.

[53] Vgl. Keen 1987, S. 131ff.

[54] Als Beispiel für eine Verlautbarung für ein Turnier siehe den Auszug zu einem Turnier in Calais 1389 in Anlage I im Anhang.

[55] Es durfte lediglich (bis auf wenige Ausnahmen) auf sakralem Boden nicht gekämpft werden.

[56] Dabei konnte es sich um Baumgruppen oder Wäldchen, Reihen von Weinstöcken eines Weinguts oder um Scheunen handeln.

[57] In Frankreich z.B. in die „Franzosen“ und die „Angiovinen“ und in England in „Nordleute“ und „Südleute“. Bei der Einteilung wurde es bald zum Brauch und zur Regel, dass bestimmte Landsmannschaften in einer Gruppe kämpften. Die Größe der kämpfenden Mannschaften musste dabei nicht unbedingt gleich sein.

[58] Preise waren meistens ritterliche Ausrüstungsgegenstände (Helme, Schwerter, Streitrösser u.a.) oder Schmuckstücke. Nicht selten waren sie aber auch wertlos. Guillaume le Maréchal erhielt eines Tages bei einem Turnier, das 1206 in London bestritten wurde, einen schönen Hecht, der Sieger nahm nicht weniger mit als einen Bären. Indes waren die Preise, die man sich bei den französischen oder den burgundischen Festen verdienen konnte, oft ein Juwel. Bei dem Turnier von Bruges 1429 finden wir ungewöhnliche Belohnungen: Rubine, eine Kette aus Gold und Diamanten.

[59] Manchmal gab es auch Helm- oder Schildausstellungen, die von den Zuschauern besichtigt werden konnten.

[60] Endrei 1988, S. 168.

[61] Wer sich zu Beginn nicht am Kampfplatz eingefunden hatte, war von der Teilnahme ausgeschlossen. Gekämpft wurde auch mit stumpfen Schwertern und hölzernen Keulen. Dieser dauerte gewöhnlich länger als der Kampf mit der Lanze.

[62] Verboten war nach Endrei, aber das lässt sich wohl kaum verallgemeinern, dass Unterlegene weder getadelt noch verspottet wurden (vgl. Endrei 1988, S. 168). Auf jeden Fall durfte der besiegte Edelmann nur solange festgehalten werden, bis er sich ergab und dem Sieger versprach, ihm die verlangten Gegenstände oder Geld nach dem Kampf zu übergeben. Das ehrenvolle Verhalten ging also auch nach einem Sieg weiter, zumindest in den meisten Fällen, denn es gibt auch Berichte, in denen ein Herrscher nach einem Turnier aufgefordert wurde, bei der Befreiung eines Ritters zu helfen.

[63] Pierron macht darauf aufmerksam, dass es auch in späterer Zeit dazu kommen konnte, dass sich mehrere Ritter im Turnier zusammenschlossen, um ihre Gegner gemeinsam auszuplündern. Zusätzlich konnte es zu Problemen führen, wenn sich die Sieger über die Verteilung der Beute nicht einig wurden oder wenn gar ein Teilnehmer das Schlachtfeld mit seiner Beute verließ (vgl. Pierron 1997, S. 66). Es ist allerdings hier anzunehmen, dass solche Verhalten zumindest im Hoch- und zu Beginn des Spätmittelalters die Ausnahme bildeten, denn dies war natürlich ein immenser Verstoß gegen den ritterlichen Ehrenkodex.

[64] Daher auch Turnier von tournoy = Dreh- oder Wendespiel.
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